HEALING THE SPLIT - DIE SPALTUNG HEILEN

Von Pat Törngren




"Primärtherapie ist nichts für die Furchtsamen, sie ist eine lebenslange Bindung von langsa - mem, manchmal qualvollem Fortschritt. Aber für diejenigen mit dem Mut sie durchzuziehen gibt es ein wachsendes Bewusstsein, wieder ganz zu werden - sagen zu könne ‚Ich weiß, was ich fühle,und ich kann fühlen, was ich weiß.' "

-- Pat Törngren



Eine grundlegende Auffassung der Primärtherapie - und eine, die Arthur Janov ausführlich in seinen Büchern beschreibt, - ist die der "Spaltung". Was gemeint ist : Wenn ein Individuum mit einer schmerzvollen Erkennntnis konfrontiert wird, die zu traumatisch ist, als dass sie integriert werden könnte, spaltet er oder sie die Realität ab, um zu überleben.

Die Spaltung kann viele Formen annehmen, von der extremen, bei der die Person in "zwei aufgespalten wird", wobei ein größerer Teil ihrer Persönlichkeit verdrängt wird, bis zur weniger schweren Abspaltung, bei der ein schmerzvolles Ereignis vom Bewusstsein abgeblockt wird. (Eine weitere Form der Spaltung ist die Multiple Persönlichkeitsstörung, aber das liegt außerhalb der Reichweite dieses Artikels).

Über die Jahre hinweg fand ich es faszinierend, die vielfältige Art und Weise zu beobachten, wie verschiedene Menschen, die sich der Primärtherapie unterzogen, die Realität abspalteten, um zu überleben. Die hier präsentierten Darstellungen stammen von meinen eigenen Einsichten in der Primärtherapie und von jenen zweier Freunde (die ich Mark und Andy nennen werde), die ebenso in den späten 1970ern am Primal Institute in L. A. die Therapie durchmachten und die Bestandteil einer "Primärkumpel - Unterstützungsgruppe" wurden, die wir nach der Heimkehr nach Südafrika bildeten.

Es muss angemerkt werden, dass diese Auflistung keinen Anspruch auf Vollständig- keit erhebt, und dass die hier beschriebenen Möglichkeiten der Spaltung mehr oder weniger "Idealtypen" darstellen, die wir drei zufälligerweise veranschaulichten. Einige Leute könnten irgendwo in ein Kontinuum zwischen den Typen fallen oder eine Kombination dieser Abwehren benutzen.


DIE ÄUßERE SPALTUNG

Die Person, die diese Abwehr verwendet, spaltet nicht unbedingt sich selbst oder die Art, wie sie die Welt im Allgemeinen wahrnimmt. Stattdessen spaltet sie zu einem bestimmten Zeitpunkt jemanden außerhalb ihrer selbst in zwei Menschen auf, um zurechtzukommen, während sie sich gleichzeitig völlig unbewusst ist, was geschehen ist. So spaltete ich unbewusst meine Mutter in zwei Menschen auf, weil es mich als Kind völlig vernichtet hätte anzuerkennen, dass "gute Mami" und "schlechte Mami" ein und dieselbe Person waren.

"Gute Mami" war die Mutter, die mich stillte (wenn auch nur alle vier Stunden einmal!) und die mich aufnahm und mit mir den Flur entlangging, wenn ich schrie. Als ich größer war, spielte sie mit mir, las mir jeden Tag Geschichten vor, ließ mich den Löffel abschlecken, wenn sie Kuchen backte, zeigte mir, wie man einfärbt und sang Kinderlieder mit mir. Ich liebte sie total und glaubte, sie sei perfekt in jeder Hinsicht.

Aber es gab eine andere Mami, die auch in unserem Haus lebte. Sie wurde oft wütend und ungeduldig und schrie mich dann gewöhnlich an und schlug mich. Nichts was ich tat schien ihr gut genug zu sein, besonders nachdem mein Bruder, ihr Lieblingskind, geboren war. Sie brachte mich dazu, meine eigenen Kindheits - Bedürfnisse zu verleugnen und zwang mich, emotional viel zu früh erwachsen zu werden, sodass ich "groß für sie" sein und an ihrer Seite gegen meinen Vater stehen konnte. Auch ließ sie an mir häufig die Wut aus, die sie gegen meinen Vater fühlte aber ihm gegenüber nicht auszudrücken wagte. Sie war meine "schlechte Mami" und um zu überleben musste ich die Tatsache verleugnen, dass sie überhaupt existierte.

Ich war mir dieser Spaltung völlig unbewusst, bis ich sie in einem hochgradig symbolischen, beinahe alptraumhaften Primal während meiner Zeit im Primal Institute entdeckte. Es begann damit, dass ich den Tag der Beerdigung meiner Mutter wiedererlebte. In dem Primal schien ich in der Kirche neben ihrem Sarg zu stehen mit einem unbestimmten Gefühl von Unwohlsein und Furcht.

Dann bemerkte ich, wie eine dunkle, schattenhafte Gestalt über dem Sarg schwebte. Ich identifizierte sie sogleich als "teuflisches" und "dämonisches" Wesen. Zu meinem absoluten Entsetzen kam mir nach und nach die Erkenntnis zu Bewusstsein, dass dieses unheimliche Wesen zu meiner Mutter in den Sarg wollte. Für eine Ewigkeit, wie es schien, kämpfte ich dagegen an, mühte mich, es in Schach zu halten und schrie "Nein, Nein! Bleib von meiner Mutter weg. Lass' meine Mutter zufrieden!"

Aber ich war machtlos. Zu meinem wachsenden Entsetzen senkte sich die unheimliche schwarze Gestalt schließlich in den Sarg hinab und fuhr in den Leichnam meiner Mutter ein, die dort lag. Plötzlich traf mich die Erkenntnis....und irgendwie schaffte ich es halb schreiend halb würgend die Worte herauszubringen "Nein! Nein!...Oh Gott!....Nein! Lass' es mich nicht sehen....DAS IST MEINE MUTTER! Die nächste halbe Stunde weinte ich ziemlich tief, als ich nochmals durch die Beerdigung ging, diesmal mit der "schlechten Mami" im Sarg. Aber der Höhepunkt war mit den Worten erreicht "Das IST meine Mutter".

Hinterher fühlte ich einen eigenartigen Frieden. Ich "wusste", dass die Spaltung geschehen war, als ich ungefähr sechs Jahre alt war. Ich hatte die Fantasie entwickelt, dass es nicht meine Mutter war, die diese schlechten Dinge sagte und tat, sondern ein schwarzer "Dämon", von dem sie manchmal besessen war.

Sofort hatte ich auch den schwarzen Dämon aus meinem Bewusstsein gelöscht, weil er ebenso bedrohlich war. Aber er hatte seinen Zweck erfüllt - er hatte mir erlaubt, von meiner Mutter den Teil abzuspalten, der mich nicht liebte, sodass ich mich noch immer geliebt fühlen und glauben konnte, alles sei okay. Interessanterweise geschah es erst, nachdem ich sie wieder zu einer einzigen Person zusammengesetzt hatte, dass sich die Richtung meiner Therapie veränderte und ich beginnen konnte, in meinen Primals etwas von dem Zorn und der Wut der Kindheit auszudrücken - Gefühle, die ich so unglaublich tief begraben hatte.

Heute habe ich genau e i n e Mutter, die weder völlig gut noch völlig schlecht war. Sie ist die Person, die mich als Kind verletzte. Sie ist auch die Person, die zu mir stand, als ich einen Zusammenbruch hatte und in eine Klinik eingewiesen wurde, nachdem ich den "Primal Scream" (den "Urschrei") gelesen hatte.Tatsächlich las sie alles von Janov, was sie in die Finger kriegen konnte, und war am Boden zerstört, als sie begriff, was sie ihren Kindern angetan hatte.

Auch war es meine Mutter, die bei mir saß während meiner frühen Primals, bevor ich ins Primal Institute kam, die mich umarmte und mich hielt, während ich weinte, die sagte, wie furchtbar Leid es ihr tue, dass sie mich verletzt hatte, und dass keine Anstrengung zu groß sei, mir dabei zu helfen gesund zu werden. So kann ich mich heute an die guten und die schlechten Zeiten erinnern, an die glücklichen und die traurigen - was bedeutet, dass ich die Aufspaltung meiner Mutter geheilt habe. Ich kann mich an sie erinnern, so wie sie war - einfach ein weiterer fehlbarer Mensch, der eigenen Schmerz hatte und schließlich aufrichtig genug war um zu sagen "Es tut mir Leid". Dafür liebe ich sie. Das hat mir den Mut gegeben, mich mit all dem Schmerz und Zorn meiner Kindheit zu befassen und somit mit der Genesung zu beginnen.


DIE INNERE SPALTUNG

Es gibt zwei Hauptaspekte hinsichtlich des Bewusstseins - Wissen und Fühlen. Die integrierte Person weiß, was sie fühlt und ist auch fähig die Implikationen dessen, was sie weiß, zu fühlen. Die gebräuchlichste Möglichkeit für ein Kind, sich selbst von Schmerz abzuspalten, ist entweder (1) seine Gefühle oder (2) das Wissen oder (3) die Bedeutung dessen, was mit ihm geschieht, zu verleugnen.

Es ist eine interessante Beobachtung, dass für viele Menschen die eine oder andere dieser Abwehrstrategien zu einem prototypischen Weg wird zu Rande zu kommen, und dadurch zur gewohnheitsmäßigen Abwehr einer Person wird. Wir drei, die in diesem Artikel beschrieben werden, begannen alle vor mehr als einem Jahrzehnt mit dem Primalen, und doch befasst sich jeder von uns noch immer mit seinem Schmerz auf eine der folgenden prototypischen Arten.


DIE PERSON, DIE ES WEIß ABER ES NICHT FÜHLEN KANN (NEUROSE)

Dies ist eine Methode, mit Schmerz umzugehen, die ich zu einer wahren Kunst gemacht habe! Ich war immer in der Lage, mich an das meiste meiner Kindheit von allerfrühester Zeit an zu erinnern. In unserer umfangreichen Familie, die sich aus mehreren kriegführenden Splittergruppen zusammensetzte, musste man seine fünf Sinne beisammen haben um zu überleben. So wusste ich immer, was vor sich ging - was ich nicht wusste war, was ich dazu fühlte. Ich konnte weder Traurigkeit noch Zorn fühlen. Gewöhnlich geriet ich einfach unter Spannung, meine Kehle schnürte sich zu, mein Kopf fühlte sich an als würde er sogleich bersten, und ich begann zu zittern.

Einer der Therapeuten am Institut beschrieb mich als " verbal sehr ausdrucksfähig aber von Gefühlen abgeschnitten". Mein "Drei-Wochen-Intensiv"-Therapeut sagte zu mir "Du hast mir gerade von einigen der schrecklichsten Dinge erzählt, die man dir als Kind angetan hatte, bis zu dem Punkt, an dem auch ich Zorn verspüre, nichtsdestotrotz rasselst du sie herunter, als würdest du eine Einkaufsliste lesen. Aber um Himmels willen, sag', was fühlst du bei dem, was du mir erzählt hast?" Es kostete mich mehr als ein Jahrzehnt das herauszufinden.

Für mich war es der wichtigste Teil der Therapie, mich mit Gefühlen und Erinnerungen zusammen zurückzuversetzen. Ich gehörte niemals zu den Leuten, die leicht weinen konnten, und in Gefühle zu gelangen war für mich am Anfang ein beträchtlicher Kraftakt. Früh in der Therapie lernte ich, dass ich, wenn gerade ein Gefühl hochkam, an Ort und Stelle und augenblicklich mitgehen musste. Wenn ich es auch nur eine halbe Stunde aufschob, verlor ich oft den Zugang zu Ihm, und es konnte Wochen dauern, bis es wieder hochkam.

Also legte ich mir eine "primal box" (schalldichte Kiste, Anm. d. Übers.) zu und gründete ein Netzwerk von "Kumpeln", die ich im Nu kontaktieren konnte. Einige hatten Primärtherapie gemacht, die anderen waren Familie und Freunde, die willens waren für mich da zu sein und einfach zuzuhören. Wenn niemand verfügbar war, ging ich lieber alleine in die primal box (um 3.00 Uhr morgens, falls nötig), als das Gefühl aufzuschieben und zu verlieren.

Da ich mehr Zugang zu geistigem Wissen als zu Gefühlen habe, stellte ich die Verknüpfungen Tage oder Wochen her, bevor ich zu den Gefühlen selbst gelangte, wie ich herausfand. Bei zahlreichen Gelegenheiten sollte ich die Verknüpfung "erträumen", bis ins kleinste Detail. In den lebhaftesten Träumen sah ich manchmal tatsächlich das Primal als Ganzes, lange bevor ich es fühlte. Wenn ich aufwachte, sollte ich mich an all das klar erinnern, obwohl ich nicht mehr als Interesse fühlte.

Innerhalb von Tagen oder längstens Wochen jedoch wirkte gewöhnlich irgendwas als Auslöser in mir und ich hatte das Primal mit all der Intensität des Fühlens einschließlich der Tränen und des Zorns, die mit der Verknüpfung einhergingen, die ich bereits hergestellt hatte. Für mich war Primärtherapie als würde ich ein Puzzle Stück für Stück zusammensetzen. Jede neue Verknüpfung macht das Bild klarer, aber es ist das Fühlen des emotionalen Inhalts der Verknüpfungen, was mir mein Selbst zurückgibt und mich gut fühlen lässt. Und im Laufe der Zeit wird der Zugang zu diesen Gefühlen leichter.


DIE PERSON, DIE ES FÜHLT ABER ES NICHT WEIß (NEUROSE)

Lange Zeit beneidete ich die Leute, die sich hinlegen und beim geringsten Anlass weinen konnten. Nun wird mir klar, dass Fortschritt für sie in Wirklichkeit oft sehr langsam und ziemlich schwierig ist, obwohl es nach außen hin scheinen mag als machten sie spektakuläre Fortschritte, weil sie die ganze Zeit nahe bei ihren Gefühlen sind.

Andy ist genau eine solche Person. Seit ich ihn kenne, ist er in der Lage augenblicklich in ein Gefühl zu fallen. Tatsächlich ist er oft aufgelöst in Gefühlen bis zu dem Punkt, wo sein Therapeut am Institut ihm sagte, er solle versuchen n i c h t zu weinen bis er unbedingt müsse. Nahezu alles kann ihn zum Weinen bringen - ein Musikstück, eine sanfte Berührung, ein freundliches Wort, der Tod eines Tieres, ein TV-Programm, usw. .

Er weint tief, gewöhnlich mit den Schreien eines Babys oder eines sehr kleinen Kindes. Er geht auch oft in die fetale Position mit Anzeichen von Ersticken und Würgen, die Hände nach innen gedreht und angezogenen Knien. Das Problem ist, wenn man ihn fragt, worüber er gerade geweint hat, ist er ziemlich oft unfähig mehr zu sagen als "Ein diffuses Gefühl von Traurigkeit", "Ich fühle mich ungeliebt" oder auch "Es geht darum, dass ich etwas vermisse, das ich nie bekam, aber weil ich es nie bekam, weiß ich nicht, was es eigentlich ist, das ich vermisse."

Von vielen seiner sehr frühen Geburtsprimals, wo alles "aus dem Rhythmus geraten war", bis zu seinen Baby - Primals, in denen er weinte und weinte und niemand kam (und dann, wenn er es nicht tat, kamen sie tatsächlich), ist das vorherrschende Gefühl für Andy: "Ich kann mir keinen Reim machen auf das, was geschieht". Oft benutzt er eben diese Worte. Tatsächlich ist es eine seiner Lieblingsphrasen.

Tatsächlich hätte für Andy sich " einen Reim" auf seine Kindheit zu machen bedeutet, Realitäten zu begegnen, derer er sich erst jetzt bewusst zu werden beginnt. Er hätte der Tatsache ins Auge sehen müssen, dass sein Vater ein wutschäumender, vernunftloser, selbstsüchtiger Tyrann war, seine Mutter verloren und hilflos, und dass beide Eltern unfähig waren, ihm die bedingungslose Liebe zu geben, die er brauchte. Dieses Wissen wäre für ein kleines Kind völlig überwältigend gewesen. So wurde anstatt diesem lebendigem Alptraum zu begegnen "Nicht Wissen" zu seiner prototypischen Abwehr.

Eine andere Art, wie diese Abwehr wirkt, ist, dass er manchmal seine Verknüpfungen "vergisst". Er kann die tiefsten Primals haben mit den profundesten Verknüpfungen, nur um sie sogleich innerhalb eines oder zweier Tage zu vergessen. Man kann ihm eine Woche später als "Primärkumpel" beistehen, wenn er dasselbe Gefühl erneut hochbringen wird und dabei sagt, er habe keine Ahnung, woher es komme. Wenn jemand in der Gruppe aufzeigt, dass es sich so anhöre wie etwas, das er vorher fühlte, und ihn daran erinnert, worum es in einigen seiner Verknüpfungen ging, scheint er aufrichtig überrascht. Er wird dann sagen , dass er sich all dessen entsinne, aber es in der Zwischenzeit komplett "ausgelöscht" habe.

Während jemand anders die Zeit damit verbringen würde, aufgeregt mehr Verknüpfungen herzustellen, die Teile des Puzzles zusammenzusetzen und andere daran teilhaben zu lassen, tut Andy nach seinen Sitzungen etwas um sich zu zerstreuen. "Pause vom Schmerz machen", so nennt er es, und er scheint diese Zeit zu nutzen um zu "vergessen", was er gerade erfahren hat. Wenn ihn jemand fragt, worüber er gerade geweint hat, sagt er oft "Ich will nicht darüber sprechen". "Nicht zu wissen" ist etwas, das Andy davor bewahrt hat überwältigt zu werden, nicht nur in der Vergangenheit sondern auch in der Gegenwart.


DIE PERSON, DIE ES FÜHLT ABER ES NICHT WEIß (PSYCHOSE)

Mark hat eine grundverschiedene Art "nicht zu wissen". Er hatte mehrere psychotische Episoden, bevor er am Primal Institute mit der Therapie begann, und man diagnostizierte später, er leide an "Borderline" - Störung. Während seiner dreiwöchigen Intensivphase muss sein Therapeut das aufgegangen haben, denn er wurde geradewegs auf Medikation gesetzt. Ich erinnere mich, wie ich einmal zusammen mit ihm primalte, als wir beide noch am Primal Institute waren. Er weinte gerade über den Tod seiner Mutter, als er 14 war. Plötzlich setzte er sich auf, sah mich argwöhnisch an und fragte: "Bist du meine Mutter und bist du zurückgekommen?"

Bei einer (anderen) Gelegenheit hörte er eine Stimme ihm sagen, er sei der "Messias", und er glaubte es eine Zeit lang. Er hatte auch regelmäßig nächtliche Wahnvorstellungen, dass er Christus sei und gekreuzigt und dann allein in die Hölle geworfen werde. (Der Symbolismus war interessant, zumal er Jude ist!) Er war sich bewusst, dass diese Visionen Täuschungen waren, und er war in der Lage, gekreuzigt zu werden mit seiner Geburt zu verbinden und in die Hölle geworfen zu werden damit, dass er in der Neugeborenen - Station hinterher im Stich gelassen wurde, aber das alles verängstigte ihn sehr. Schließlich schaffte er es, einen Deckel auf den Schmerz zu setzen, kam von dem Thorazin runter und beschloss, mit dem Primalen überhaupt aufzuhören.

Dann, nach der Rückkehr nach Südafrika und nach Jahren ohne Primals, beteiligte er sich an der Primal - Unterstützungsgruppe und begann erneut mit dem Fühlen. Diesmal schien er an der Realität festhalten zu können, vielleicht weil er einen festen Job hatte und sein Leben mehr im Griff, und er begann zusammen mit der Gruppe die Ursprünge seiner Borderline - Psychose zu erörtern. Zum Beispiel erzählte er uns, dass er nach dem Tod seiner Mutter, als er ein Teenager war, permanent in einer Scheinwelt gelebt habe.

Jeder andere schien gewusst zu haben, dass seine Mutter im Sterben lag, außer den zwei Kindern. Ihm und seinem Bruder sagte man es erst eine Stunde, bevor sie tatsächlich starb, und sein Gefühl zu der Zeit war das totaler Unwirklichkeit. Sein älterer Bruder brach zusammen und weinte, während Mark eigenartig erwachsen wurde und alle anderen zusammenhielt. Aber innerlich hatte er sich in eine Welt zurückgezogen, in der die Grenzen zwischen Realität und Irrealität verwischt waren, wie "nicht zu wissen", dass seine Mutter im Sterben lag. Es war mehr als zwanzig Jahre später, während der Therapie, dass ihn die Realität ihres Todes schließlich traf- und er befand sich in gewaltigem Schmerz.

In einem seiner jüngsten Primals erlebte Mark wieder, wie er als kleines Baby im Dunkeln lag, weinte und weinte und schließlich verzweifelt aufgab, weil niemand kam. Nachher erklärte er uns sehr klar die Beziehung zwischen einer Wahnepisode und einem Primal. "Der Unterschied", sagte er, "ist nicht das Gefühl, es ist die Interpretation, die du dem Gefühl beigibst.

Er fuhr fort und erklärte, dass er in der Vergangenheit Zeiten hatte, wo er glaubte, dass er alleine in seinem Kopf lebe und dass niemand anderer im gesamten Universum existiere, außer in seiner Einbildung. "Ich hatte genau das gleiche Gefühl in dem Primal heute Nacht", sagte er, " Der einzige Unterschied ist, dass es sich in dem Primal anfühlte, als sei ich die einzige Person im Universum, weil ich weinte und weinte und niemand kam. Was Mark betrifft, so wird er hoffentlich fähig sein, seine manchmal ziemlich bizarren Interpretationen dessen, was geschehen ist, dazu zu benutzen, sich selbst in verknüpfte Gefühle zu reden und somit die Grundlage seiner Realität zu erweitern.


SCHLUSSFOLGERUNGEN

Aus dem oben Gesagten scheint es klar, dass es viele unterschiedliche Arten gibt, sein Selbst von überwältigendem Schmerz abzuspalten. Obgleich sie lebensrettend sind, wenn sie sich ereignen, so bleiben diese Abwehren, wenn einmal ihre Notwendigkeit vorüber ist, doch Haupthindernisse auf dem Weg einer Person zur Ganzheit.

Es sind viele Theorien aufgestellt worden, warum eine Person psychotisch wird und eine andere nur neurotisch. Janov's Theorie ist, dass es damit zu tun hat, wieviel Trauma geschehen ist und wie früh es geschah. Dies ist jedoch niemals schlüssig bewiesen worden, und es gibt viel Forschung, die darauf hindeutet, dass Gehirnchemie und Erbfaktoren involviert sind. Es ist auch gut möglich, dass chemisches Ungleichgewicht und Urschmerz vielleicht ineinandergreifen um Psychose zu verursachen. (Siehe Anmerkung unten).

Aber auch wenn wir nicht wissen, was die prädisponierenden Faktoren sind, wissen wir mit Gewissheit, was der beschleunigende Faktor für viele Arten von "Spaltung" im Bewusstsein ist - überwältigender Schmerz und die Notwendigkeit sich dagegen zu verteidigen. Der Vorteil der Primärtherapie ist, dass sie hinter diese Abwehrmechanismen gelangt, was immer sie sind, und der Person hilft, die abgespaltenen Enden wieder zusammenzusetzen. Das zu tun ist nichts für die Furchtsamen, es ist eine lebenslange Bindung von langsamem, manchmal qualvollem Fortschritt. Aber für diejenigen mit dem Mut sie durchzuziehen gibt es ein wachsendes Bewusstsein, wieder ganz zu werden - sagen zu können "Ich weiß, was ich fühle, und ich kann fühlen, was ich weiß".
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ANMERKUNG ZUR PSYCHOSE

Ich vermute, dass Leute, die an ernsten Psychosen leiden, wie es bei Schizophrenie geschieht, keine guten Kandidaten für Primärtherapie sind. Leute wie der oben zitierte Mark , die an ein paar Wahnvorstellungen festhalten, die aber andererseits mit dem restlichen Teil ihres Lebens in integrierter, einsichtsvoller Weise zurechtkommen, können manchmal ganz ordentlich von ihr profitieren.

Gegenwärtig gibt es viele Beweise, die nahe legen, dass die Prädisposition für Schizophrenie chemisch begründet ist und vielleicht vererbt wird. Jedoch würde jemand mit sehr wenig Urschmerz vielleicht niemals die vererbte Tendenz zum Ausdruck bringen, während jemand mit einer großen Menge an frühem Kindheitsschmerz ernsthaft psychotisch werden könnte. Solche Leute in Primals zu bringen, könnte besonders ohne medizinische Überwachung sehr gefährlich sein, und es sollte nicht von "Primär- Kumpeln" unternommen werden.


POSTSKRIPTUM

Ich schrieb diesen Artikel ursprünglich vor etwa 10 Jahren, ließ ihn aber niemals veröffentlichen. Die Dinge haben sich seither verändert, aber um der Integrität willen beschloss ich, ihn zu veröffentlichen wie er geschrieben stand und einfach ein Postskript anzufügen.

Bald nachdem dieser Artikel geschrieben wurde, verließ Andy die Primal - Selbsthilfegruppe und ich weiß nicht, ob er noch primalt. Etwa ein Jahr später starb Mark tragischer- Weise an einer Krankheit. Einer nach dem anderen stiegen Gruppenmitglieder aus oder zogen weg, sodass die Gruppe sich nun aufgelöst hat.

Auch mein Leben hat sich verändert. Bald nachdem ich diesen Artikel geschrieben hatte, begann ich Zugang zu sehr frühen traumatischen Gefühlen (Geburt und davor) zu erlangen, und so hat sich die Natur meiner Primals erheb- lich verändert. Mit Schmerz der ersten Ebene klar zu kom- men ist ganz anders und viel schwieriger als Schmerz der zweiten Ebene zu meistern. Aber das ist Stoff für einen weiteren, zukünftigen Artikel.

In der Zwischenzeit gibt es schon ein paar "Langzeit"- Primaller in Südafrika, und wir würden gerne bald wieder eine "Kumpel"- Selbsthilfegruppe gründen, wo die Leute sich gegenseitig unterstützen könnten, entweder in einer kleinen Gruppe oder über das Telefon. Alle irgendwo in Südafrika, die interessiert sein könnten, sind eingeladen, an die Autorin unter mailto:pgt@mweb.co.zazu mailen oder sie anzurufen unter (021) 558 - 4463. Leute in irgendeiner der regressiven Gefühlstherapien sind eingeladen, mit uns Kontakt aufzunehmen.


Anmerkungen d. Übersetzers:

Pat Törngren hat auch eine weltweite Primal Support Group gegründet. Die Gruppensprache ist Englisch. Zugang über die primalpage ("Join the Primal Support Group"), also genau da, wo Sie jetzt surfen. Oder Mail an Pat. Sie freut sich bestimmt.


Diese Übersetzung ist Pat Törngren gewidmet.
(This translation is dedicated to Pat Törngren.)


Übersetzung Ferdinand Wagner


EMaK www.emak.org ist eine Webseite für Erwachsene Misshandelt als Kinder. Über die Erfahrungen einer misshandelten Kindheit zu sprechen ist oftmals der erste Schritt auf einem langen Weg die unsichtbaren Wunden zu heilen.

-- Sieglinde W. Alexander


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